Donnerstag, 1. Februar 2007

Lunacek: "SPÖ als Phalanx gegen Rechts und für lesbischwule Gleichstellung?"

Die Antwort Ulrike Lunaceks auf Günter Tolars Verteidigung der SPÖ im SOHO-Newsletter

1) Niemand wolle mehr, so hofft Günter Tolar, eine "bürgerliche Dreier-Koalition" von Schüssel mit BZÖ/FPÖ. Das stimmt - abgesehen davon, dass BZÖ und FPÖ von "bürgerlich" weit, sehr weit entfernt sind - Wehrsportübugen vor 15 oder 20 Jahren, Trauer-Reden (noch 2005) am Kapitulationstag von Hitler-Deutschland, "Stürmer"-Vergleiche vorgestern: das sind keine "Bürgerlichen", das ist eindeutige Nähe zum Nationalsozialismus. Und dazu findet SPÖ-Chef Gusenbauer, unser neuer Bundeskanzler, zuerst nur, dass dies "Jugendsünden" seien? Erst heute Dienstag, nachdem auch das Unverständnis in der eigenen Partei groß und größer geworden ist, befindet der neue Bundeskanzler, dass Straches Erklärungen nicht genügen.

2) Das ist also die SPÖ und die SPÖ-Führung, von der Günter Tolar erwartet, dass sie sich gegenüber der ÖVP - wenn schon nicht in den Koalitionsverhandlungen,, dann aber doch im Zuge des gemeinsamen Regierens für die Angelegenheiten der österreichischen Lesben-Schwulen-TransGender-Bewegung ein- und durchsetzen wird?

3) Ich erkenne keine glaubwürdige Begründung für diese Hoffnung und ich gestehe: Meine Zweifel sind mehr als groß. Das eine ungeschriebene Gesetz, das uns Grünen von allen Seiten, als wir uns in den letzten Jahren bei den regierungserfahreneren Parteien erkundigten, erklärt wurde: Was du nicht in einem Koalitionsvertrag festschreibst, wird nichts mehr.

4) Ich lasse mich ja gerne in Zukunft eines Besseren belehren. Aber warum soll ich glauben, dass es diesmal anders wird als unter früheren grossen Koalitionen? Als die SPÖ noch 1999 bei der Abstimmung zum §209 den Plenarsaal verließ um die eh schon mehr als morsche Koalition mit der ÖVP zu retten.

5) Ja, ich habe erwartet, dass die SPÖ - allen voran Gusenbauer - ihre Wahlversprechungen (und das war nicht nur die Eingetragene Partnerschaft sondern auch die Öffnung der Ehe!!!) wahrmacht und die ÖVP zumindest zu einer Mini-Gleichstellungs-Variante drängt. So wie es möglich war, die Konservativen in Luxemburg oder Slowenien zu geringen, aber doch Zugeständnissen zu bewegen - und vor allem den wichtigen symbolischen Akt der Registrierung am Standesamt wahrzumachen. Nicht, dass wir Grüne oder die österreichischen Lesben und Schwulen damit zufrieden gewesen wären - aber zumindest von meiner Seite hätte es Respekt gegeben.

6) Aber nein. Nichts. Gerade einmal "diskutieren" in der Regierungserklärung ist drin. Mit Verlaub, das hatten wir schon jahrelang. Dass die ÖVP jetzt "verpflichtet ist, mit der SPÖ zu reden" klingt gerade einmal nett. Klingt aber nicht nach Durchsetzung: So sehr ich auch die neue Justizministerin Maria Berger schätze (wir kennen einander aus der Zeit, als wir beide zu Beginn der achtziger Jahre in Innsbruck gemeinsam mit anderen Feministinnen das Innsbrucker Frauenhaus aufgebaut haben) und weiß, dass sie persönlich unsere Anliegen teilt: das Durchsetzen ohne Verankerung in der Regierungsvereinbarung erscheint mir mehr als Illusion.

7) Und zum Vorwurf an uns Grüne, wir hätten eine Minderheitsregierung vermasselt, weil wir einen Misstrauensantrag für den ersten Tag angekündigt hätten: Die SPÖ-Legendenbildung funktioniert ja wie geschmiert! Kein/e Grüne/r hat jemals gesagt, wir würden am ersten Tag einen Misstrauensantrag einbringen. Wir haben Gusenbauer schon im November - in der "ÖVP-Trotzphase" - gesagt, wir würden eine Minderheitsregierung dulden, wenn er uns a) konkrete inhaltliche Vorschläge machen würde, welche inhaltlichen Initiativen in seiner Vorstellung mit BZÖ und/oder FPÖ machbar seien (denn dass auch nur ein/e ÖVP-Abgeordnete/r mit uns stimmen würde, war auszuschließen) und b) wenn wir einen Termin für eine Neuwahl in einigen Monaten vereinbaren können. Auf dieses Grüne Angebot gab es von Gusenbauer keine Antwort und auch keinen Vorschlag. Im Endeffekt, das haben Gusenbauer, Cap und Co. nach der Einigung mit der ÖVP am 8.1. auch des Öfteren gesagt: Sie wollten gar keine Minderheitsregierung.

Also bitte, setzt nicht unwahre Legenden in Umlauf. (Das Grüne Unterstützungsangebot am Tag der Unterzeichnung des Koalitionsabkommens war, da gebe ich Günter Tolar recht, nicht wirklich das Gelbe vom Ei....)

8) Wie sieht die Realität also aus? Die SPÖ und auch die ÖVP brauchen massiven Druck von innen - das ist die Aufgabe der SoHo und das ist die Aufgabe von manchen liberaleren Perspektiven-SucherInnen in der ÖVP.

Aber ohne Druck von außen werden die gesellschaftsliberalen Kräfte in beiden Parteien nicht weit kommen, die Beharrungskräfte sind gerade in grossen Koalitionen massiv vorhanden. D.h., dass laute, fordernde Worte von den diversen Organisationen der Zivilgesellschaft genauso notwendig sind wie diejenigen der einzigen Oppositionspartei, die sich lesbischwuler Angelegenheiten seriös und sichtbar annimmt: der Grünen.

Also dann: Auf zum Weiterkämpfen, Mund aufmachen und Druck machen - mit Engagement, Leidenschaft und Humor, von innen und von außen!

Günther Tolar im Newsletter der SOHO:
http://www.gay.or.at/news/1169810223

Ulrike Lunaceks Antwort auf Günther Tolar auf der Homepage von Grüne Andersrum Wien:
http://www.gruene-andersrum.at/oesterreich/artikel/lesen/13303/

Blog von Ulrike Lunacek:
http://dielunacek.at

Grüne Andersrum in Österreich:
http://andersrum.gruene.at/

Kontakt zur Grüne Andersrum Tirol und Mailadresse von Gebi Mair:
http://tirol.gruene.at/team/gruenes_netzwerk/gruene_andersrum/

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