Die Gegenwart der Vergangenheit

Mit einer parlamentarischen Enquete starteten die Grünen ins Gedenkjahr 2008. Auch die Verfolgung Homosexueller während der NS-Zeit war dabei Thema eines Referats und eines Workshops.

Die Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig lud heute ins Parlament. Thema der Enquete: "Die Gegenwart der Vergangenheit". Aufgegriffen wurden vor allem die unerledigten Bereiche Österreichs: etwa die Pflege der Jüdischen Friedhöfe, die Lücken im Kunstrückgabegesetz, aber auch fehlende Entschädigungen und Rehabilitierungen – etwa von Wehrmachtsdeserteuren, Zwangssterilisierten und Homosexuellen. "Besonders schwule Männer waren oft
gezwungen sich freiwillig 'entmannen' zu lassen. Diese Freiwilligkeit war aber nur gegeben, weil sie sonst eingekerkert oder ins das Konzentrationslager geschickt worden wären", so Mag.a Claudia Spring, die sich mit Zwangssterilisierungen während der NS-Zeit beschäftigt.

Niko Wahl referierte über die Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit. Er machte besonders auf den Umstand aufmerksam, dass das Verbot der Homosexualität auch vor und nach der NS-Zeit noch bestand - in Österreich bis 1971. Dies war der Hauptgrund, warum es bis 2005 dauerte, dass homosexuelle Opfer des NS-Terrors in das Opferfürsorgegesetz aufgenommen wurden. Dass sich
nur wenige Opfer um Entschädigungen bemühen erklärt Wahl so: "Auch danach war Homosexualität ein Grund, sich zu schämen. Für viele Opfer gilt das bis heute."

Anschließend fand auch ein Workshop zu diesem Thema statt. Darin wurde vor allem erörtert, ob Homosexuelle mittels eines NS-Aufhebegesetzes rehabilitiert werden könnten. Und wenn ja, ob dies - aufgrund der brutalen und unmenschlichen Judikatur - für die Zeit zwischen 1938 und 1945 gelten soll, oder doch bis 1971. Die Positionen unterschieden sich. Der teilnehmende
Experte Univ. Prof. Dr. Reinhard Moos, der sich sehr für ein Aufhebegesetz einsetzt, sieht die Gefahr, dass dann alle Gesetzesänderungen rückwirkende Folgen haben könnten. Andere Teilnehmer, etwa Gemeinderat Marco Schreuder,
meinten wiederum, es sei eine politische Geste, Unrecht wiedergutzumachen - egal ob vor, während oder nach der NS-Zeit.

Ein besonderer Augenmerk wurde auch auf die Verfolgung lesbischer Frauen gelegt, da diese oft unter anderen Gründen verfolgt wurden - etwa als so genannte "Asoziale" oder aufgrund "wehrzersetzender Kräfte". Wie diese
Verfolgungen in einem NS-Aufhebegesetz berücksichtigt werden könnten, müsste juristisch überprüft werden, so die Workshop-TeilnehmerInnen.

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